Liebe ist ein Tätigkeitswort
Was macht eine gute Partnerschaft aus? Na?
Akzeptiere deinen Partner mit seinen Stärken und Schwächen.
Interessiere dich für das, was ihn beschäftigt.
Lass ihn an deinen Gedanken, Wünschen und Gefühlen teilhaben.
Gestehe ihm einen persönlichen Freiraum zu.
Unterstütze ihn bei dem, was ihm wichtig ist.
Bring ihn zum Lachen.
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Echt ein Kinderspiel oder? Oder hat der Journalist Gerald Wagner doch Recht mit seinem Artikel „Die Ehe ist kein Kinderspiel“ und wir sind damit auf Dauer überfordert?!
Heiraten soll man aus Liebe. Aber die moderne Ehe als romantische Dauerleistung ist eine Überforderung.
Eine Theorie, welche die Ehe als Spiel begreift, klingt unernst. In der Ehe, vor allen wenn sie den Kern einer Familie bildet, steht dafür doch zu viel auf dem Spiel. Warum also nennt der Heidelberger Soziologe Mateusz Stachura die Ehe ein „nichtkompetitives Spiel“? Und wieso soll es unter miteinander Verheirateten keinen Wettbewerb geben?
Ist sie nicht vielmehr ein ständiger Wettbewerb – um die Aufmerksamkeit des Partners, seine Zuneigung, seinen Bindungswillen? Oder umgekehrt um den Anspruch auf das Eigene: die freie Zeit ohne die Familie, das eigene Geld, die eigenen Bedürfnisse? Wer heiratet, dem wird vieles knapp. Tisch, Bett, Konto – alles soll geteilt werden, nur wer kennt schon die Spielregeln einer fairen Verteilung? Aber schafft die Ehe denn nicht erst bestimmte Güter, welche die Ehepartner dann gemeinsam bereichern? Geborgenheit, Sicherheit, Glück? Und natürlich die geteilte Zeit, die gemeinsamen Erlebnisse, die nur deshalb so besonders und exklusiv sind, weil der andere eben dabei war: unser Lied, unser erstes Mal, unser kleines Hotel auf Korsika. In der Ehe gibt es also das bereichernde Teilen und das nehmende Teilen. Vielleicht ist die Dominanz des einen oder des anderen, was glückliche und unglückliche Ehen unterscheidet.
Wenn die Soziologie von Spielen spricht, meint sie das natürlich nicht in einem unernsten Sinn. Märkte, Hierarchieverhältnisse, Wettkämpfe bis hin zu kriegerischen Aktionen sind schon als Spiele untersucht worden. Stachura unterscheidet in seiner Studie kompetitive und nichtkompetitive Spiele: Bei Ersterem geht es etwa um ein Wettrennen oder eine Schachpartie: Man handelt erfolgsorientiert, will also gewinnen, aber mit einem immanenten Normbezug, der für das Spiel gelten muss. Wer eine Abkürzung nimmt, mag als Erster ins Ziel kommen – gewonnen hat er trotzdem nicht. Insofern ist die Ehe in der Tat kein Wettbewerb, da man hier nicht gegeneinander antritt, sondern ein gemeinsames Ziel verfolgt – eben dass die Ehe gelingt. Man kann in der Ehe nicht über den anderen gewinnen und die Ehe dann alleine fortführen. Das Ziel der Ehe kennt auch keinen Gewinner oder Verlierer – hierin unterscheidet sie sich in der Theorie von Wettbewerben auf Märkten.
Das ist dann aber auch die Last der Ehe, weil Liebe als ihr Ziel prinzipiell von zwei Liebenden ausgeht, die sich wechselseitig gleich lieben sollten. An dieser Erwartung nagen natürlich immer wieder Zweifel: Liebe ich mehr als er oder sie? Liebe ich tiefer als der andere? Und gibt der andere mir genug zurück?
Das sind typische Fragen der modernen Ehe. Ihr Problem ist, dass sie nach Leistungen fragen, die sich eigentlich nicht messen lassen. Alle wissen, dass sie lieben sollen, aber sie wissen nicht, wie sie es beweisen können oder es sich vom anderen beweisen lassen. Denn die „Umrechnung“ der Liebe in andere Währungen – teure Geschenke, Versorgungssicherheit, Rentenansprüche – ist dem Ehespiel im Grunde wesensfremd. Man könnte dennoch ganz unromantisch einwenden, dass es in der Ehe doch nicht nur um Liebe geht, sondern auch um ganz handfeste Interessen, die dem Erhalt einer Ehe durchaus dienen können. Solche institutionellen Spielstützen, so Stachura, stünden der modernen Ehe aber immer weniger zur Verfügung. Hierarchien verschwänden genauso wie ökonomische Druckmittel oder Argumente der Familienpolitik. Und die Fortpflanzung hat sich ohnehin längst von der Ehe emanzipiert. Kein Mann könne seine Frau noch mit Gehorsamsnormen zur Unterwerfung zwingen, und keine Frau ist mehr ökonomisch auf einen Ernährer angewiesen. Das heißt aber nicht, dass all diese Aspekte aus dem Spiel verschwunden wären. Beruflicher Erfolg etwa wird vom anderen erwartet und spielt natürlich bei der Partnerwahl eine große Rolle. Doch in der Ehe selbst zählt dann wieder nur die Liebe – wer den anderen nur versorgt, aber nicht liebt, hat das Spiel schon verloren. Das gilt auch für den, der nur aus Angst vor dem Alleinsein bleibt. Paradoxerweise wächst also der Spielanspruch der Ehe, wo es um die Ansprüche der Liebe geht, während die Ehe ansonsten von kaum noch etwas anderem getragen wird.
Das kann sehr anstrengend werden. Nicht jede Persönlichkeit taugt als „Liebesvirtuose“ (Max Weber). Wenn das am Partner nach einigen Jahren unübersehbar wird, kann es natürlich zu einer „Abwanderung der Akteure zu benachbarten Spielen“ kommen, so Stachura. Sei es in schwacher Form (man verbringt immer mehr Zeit mit den Freunden oder mit dem eigenen Hobby) oder in der starken Form einer anderen Liebesbeziehung. Gerade weil die „Vollinklusion in das Ehespiel“ eine reine Gefühlssache geworden ist, die keine institutionellen Stützen mehr hat, spricht dann beim Ausbleiben oder Erkalten der Gefühle so gut wie nichts mehr für seine Fortsetzung. Das Ehespiel, so Stachura, sei insofern wohl das anspruchsvollste moderne Spiel, weil nirgends so sehr wie hier der ganze Mensch in seiner Individualität gefragt ist. Vielleicht wäre es mal an der Zeit, den Begriff der Vernunftehe wieder auf seine Befähigung für unsere Zeit zu testen?
Quelle: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 04.06.2017,