Über-Leben in der Patchworkfamilie
Soll man nur wegen der Kinder zusammenbleiben?
Viele Paare verneinen diese Frage, zu deutlich spüren sie die Sehnsucht nach ihrem Liebesglück. Immer häufiger erfolgt daher eine für alle Beteiligten schwierige Trennung. Doch wenn sie dann einen neuen Partner gefunden haben, fangen die Schwierigkeiten erst richtig an. Denn sie haben eine Entscheidung getroffen, die von den Kindern fast immer als Katastrophe empfunden wird. Meist sind es männliche Partner, die sich in eine bestehende Familie integrieren. Und auch wenn sie keine eigenen Kinder mitbringen, sind die Kinder der Mutter in einem Ausnahmezustand. Sie haben Angst, die Zuwendung der Mutter und in ihren Einfluss zu verlieren und empfinden den ‚Neuen‘ als Eindringling. Schließlich wurden sie nicht gefragt, sie durften nicht mitbestimmen, obgleich es ihr Leben fundamental betrifft. Oft gehen sie daher in eine Abwehrhaltung oder sie versuchen sogar, den Eindringling weg zu ärgern. Das erlebte auch ich, als ich vor 20 Jahren eine Partnerschaft mit einer jungen Frau begann, die sich intensiv um ihre 9jährige Tochter kümmerte. Und diese Tochter sagte mir dann jahrelang manchmal täglich: „Hier ist einer zu viel, das bist Du.“ Oder sie beschwerte sich: „Nimm es nicht persönlich, aber Du störst.“
Annäherung im Alltag
Doch wie soll man mit dieser kränkenden Ablehnung umgehen? Mir war damals klar, dass ich nicht immer die Mutter dafür ‚verantwortlich‘ machen konnte. Das hätte die Partnerschaft auf Dauer nicht überstanden. Deshalb waren für mich vor allem Freunde sehr wichtig, die mich unterstützen. Und mir war auch klar, dass die seinerzeit 9jährige Katharina irgendwie Recht hatte. Aus meiner eigenen Arbeit als Psychotherapeut wusste ich, dass es nur einen Weg gab. Ich durfte mich gegen Katharinas Attacken durchaus wehren, aber ich musste dennoch ihre von Skepsis und Angst geprägte Ablehnung zunächst aushalten und ihr zeigen, dass meine Anwesenheit auch für sie ein Gewinn war. Das gelang nach über vier Jahren, indem ich kochte, mich viel um sie kümmerte. Es war der Alltag, der uns letztlich zusammenbrachte. Denn man kann nicht dauerhaft in einem Ausnahmezustand bleiben, wenn sich der ‚Eindringling‘ sehr unterstützend verhält.
Der Beginn einer Freundschaft
Inzwischen sind 20 Jahre vergangen, Katharina ist verheiratet und machte mir den Vorschlag: „Lass uns unsere Geschichte aufschreiben.“ Das fand ich großartig, denn die Bedeutung von Patchworkfamilie steigt seit Jahren und inzwischen leben mehr als 15% der Deutschen in dieser Familienform. Und oft wissen wir viel zu wenig, wie wir mit den Konflikten in der Patchworkfamilie umgehen sollen. Vor allem wissen wir oft nicht, was in den Kindern vorgeht. Deshalb verabredete ich mit Katharina, dass jeder von uns dem anderen alle Tagebücher, Briefe und Emails übergeben sollte. Ich war schockiert, denn nun sah ich, dass Katharina viele Jahre die aktive Strategie verfolgte, mich weg zu ekeln. Und diese Strategie optimierte sie jede Woche im intensiven Gespräch mit Freundinnen. Sie ließ mich nicht zu Wort kommen, immer okkupierte sie das Telefon, nie bekam ich Anerkennung. Sie behandelte mich wie einen ungeliebten Gast. Aber Katharina machte dann in ihren Schilderungen auch deutlich, dass langsam eine Annäherung möglich war, dass sie sich schließlich für die Freundschaft mit mir entschied.
Gespräche mit Jesper Juul
Aus diesen Schilderungen ist die erste Langzeitstudie einer Patchworkfamilie entstanden, die einen ungewöhnlich persönlichen Einblick in die Konflikte, aber auch das Gelingen einer Patchworkfamilie gibt. Und darüber haben wir uns dann auch mit dem bekannten dänischen Erziehungsexperten Jesper Juul ausgetauscht, der in seinem Vorwort schreibt: „Mir gefällt alles in diesem Buch… Die Schilderung von Wolfgang Krüger und Katharina Münzer kann ein Vorbild für viele Stiefeltern sein.“
Zum Autor
Dr. Wolfgang Krüger ist Psychotherapeut in eigener Praxis in Berlin, sein Schwerpunkt liegt in der Behandlung von Partnerschaftsschwierigkeiten und Familienkonflikten.
Buchtipp: „Über-Leben in der Patchworkfamilie„, BOD Verlag, Buch 9,90 EUR, eBook 7,49 EUR
Inhaltsangaben, Leseproben und Artikel
Linktipps: Ein Film über die Patchworkfamilie
Dr. Wolfgang Krüger
Psychotherapeut und Buchautor
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