Im Auto
Ihre Reaktion dazu hat sie mir nicht verraten, ich ahne es aber …
Nun saß ich abends auf dem Heimweg im Auto und sinnierte mit Blick auf die unzähligen Rücklichter vor mir, sprich, mit viel zu viel Zeit um mich langsam hoch zu schaukeln in ein emotionales Aus, ob wir oder noch schlimmer, ich, zu streng sind bzw. bin.
Nun – natürlich bin ich das. Meine zwischen den Emotionen hin- und her gerissenste Ehefrau von allen ist sicherlich harmoniebedürftiger als ich es bin und platzt dann eher mal unkontrolliert wie ein gut gesicherter Gas-Ballon unter Einfluss eines dauerhaft darauf gerichteten Laserstrahls. Ich persönlich lasse den Druck dann ab, wenn er entsteht, und das bei den Personen, die den Druck erzeugt haben. Dass sich das in unserer Familie meist auf eine Person bezieht, die das auch mehr als oft gesagt bekommen hat und die Konsequenzen zu tragen bereit zu sein scheint, ist ein Problem für den Familienfrieden.
Aber mal ehrlich – acht Wochen Zeit für eine Hausarbeit und dann ein halbfertiges Manuskript zum Gegenlesen in die Hand gedrückt. Wer wäre da nicht geplatzt? Und dann mit frecher Mimik aus dem Haus, dem berühmten „Du kannst mich ohnehin mal“- Pubertäts-Blick. Wer ´s braucht … ich nicht!
So sitze ich im Auto, mittlerweile noch Schneefall, es dauert also noch länger. Langsam verstehe ich, wie Michael Douglas „Falling Down“ gedreht hat … nur dass es Sommer war.
Innerlich sehe ich vor meinen Augen ein Tribunal, bestehend aus mehreren (wir haben ja reichlich davon) Erziehungsberechtigten und der Pubertät gegenüber in Handschellen.
Kreuzverhör, Schnellgericht, Abführen!
Vor mir tritt ein Vollpfosten völlig unerklärlich fest auf die Bremse und bleibt auf schneeglatter Straße schief stehen. Er hat wohl einen rosa Elefanten gesehen – weit und breit kein Grund zum Anhalten. Meine Laune ist den Außentemperaturen angepasst.
Eine halbe Stunde später betrete ich unser behagliches Heim und bin Michael Douglas. Mir fehlt nur die Keule, mit der ich lospoltern werde.
Meine friedlichste Ehefrau von allen sitzt auf dem Sofa und lächelt mich an. Ich kann es nur mit einem gefrorenen Blick, erfüllt von STRENGE, beantworten. „Wo ist sie?“, drücke ich mit heiserer Stimme meine harten Worte heraus.
„Sag mal, hast Du sie noch alle?“, fragt mich meine nicht mehr friedliche Gattin.
„Jedenfalls, sie hat Training und hat für die Arbeit morgen gelernt“, fügt sie hinzu. Und lässt mich stehen.
Ich ziehe mich auf meinen Gefechtsstand zurück und versuche Waffenstillstand zu üben.
Es dauert nicht lange, nur zwei bis drei Tage … ich verhalte mich antiautoritär freundlich, überhaupt nicht streng und lasse den Berg Siff im Pubertätszimmer an allen Stellen fröhlich unkommentiert wachsen. Und genieße den Moment, als die sehr wenig pazifistisch wirkende Gattin die Pubertät in den Senkel stellt, weil wieder eine Woche verstrichen und wieder nichts geschafft wurde. Tja … manchmal hilft einfach nur abwarten.
Und den Vorwurf der Strenge zu akzeptieren. JA! Seid streng!
Übrigens: eine aktuelle Ausgabe einer namhaften Illustrierten wirbt mit dem Titelbild „Erzieht uns!“. Scheinbar hat´s jetzt sogar schon das Kind selbst gemerkt, dass mit Weichspüler-Romantik nichts erreicht wird. Klare Worte, klare Taten. Ist doch eigentlich ganz einfach …