Vater-ohne-Kind-Kur
Berufliche Veränderungen, ungewollt und dennoch immer mit dem Charme einer Unbekannten und dem Sinn einer positiven Wendung, familiären Auf´s und Ab´s mit Krankheiten, Todesfällen und mit Abschlussprüfungen, unzähligen Feierlichkeiten rund um dieselben und dem anschließenden freien Fall der Gefeierten in einen zwölfwöchigen „Chill-Out-Modus“ dank fehlender Freizeitbeschäftigung. Dies alles und noch viel mehr beflügelte die gestressteste Ehefrau von allen zum Antrag auf eine Mutter-Kind-Kur. Die sie auch sofort genehmigt bekam. Ich stelle mir einfach nur vor, dass sie wie üblich mit dem Staubsauger bewaffnet und elementar gereizt in diesem Fall die Krankenkassen-Dame angerufen und in den Hörer geblafft hat. Wer würde sich da trauen abzulehnen?
Wenige Monate nach allem Chaos weilt die langsam entspannende Gemahlin mit den beiden kleineren Kindern im schönen Süden der Bodensee-Region und baut die geballte Ladung der Erlebnisse ab. Wer nun glaubt, dass ich in der Zeit eine Vater-ohne-Kind-Kur hätte, Fehlanzeige. Ich habe den Chill-Out-Modus zu beaufsichtigen, wahrlich kein Spaß.
Erstens, abweichende Tag- und Nachtaktivitäten. Wenn ich meinen Tagesablauf so einigermaßen im Griff hatte und zum Nachmittagskaffee übergehe, begegne ich dem bleichen Chill-Out-Modus im Schlafanzug auf der Suche nach Essbarem.
Bitte nicht stören… und erst recht bitte nicht mit diesen bescheuerten Arbeitsaufträgen. Der Verweis auf §1618a und §1619 des bürgerlichen Gesetzbuchs verhallt… (Siehe Band 1, „Wenn aus Kindern Juristen werden“). Die Idee, meine Bitten um Haushaltshilfe als Antrag mit dreifachem Durchschlag (an Mutter, leiblichem Vater und das Jugendamt) an den Chill-Out-Modus zu richten, schlägt ebenso fehl wie die Ansage per Whatsapp. Etwas später am Abend beende ich meinen Tag mit einer Zeitung oder einem Spätfilm, der Chill-Out-Modus schleicht wieder aus dem ansonsten geschlossenen Zimmer und sucht Essbares. Kein Wunder, dass es so bleich aussieht, das arme Kind.
Zweitens, es kommt doch zu Begegnungen. Zwangsweise, zum Beispiel, wenn der Chill-Out-Modus Taschengeld braucht und ich gerne ein sauberes Fenster hätte. Da könnte ja eine Symbiose draus entstehen. Dies in der Gemengelage klar zu machen ist allerdings Sisyphus-Arbeit und erweist sich letztlich als schwachsinnige Idee. Wenn es immer so war, dass der Chill-Out-Modus sich entweder einfach vor der Aufgabe drücken konnte oder sie absichtlich so miserabel ausführte, dass die Aufgabe kein zweites Mal erteilt werden würde – wie kann ich da die Hoffnung haben, dass die Fenster sauber sind? Das Taschengeld mit weinerlichem Blick, es braucht Geld für einen Fahrschein und überhaupt, natürlich würde es dann die Fenster putzen … ja, ok, hier hast Du das Taschengeld … und eine Woche später beiße ich immer noch in die Tischkante, denn durch die Fenster kann ich leider nichts mehr sehen. Nun, und so weiter. Also eine Kur ist das nicht, liebe LeserInnen. Sollten SIE einmal auf die wertvolle Idee kommen, eine Mutter-Kind-Kur zu machen und die Behauptung aufstellen, ihrem Göttergatten zu Hause würde es gut gehen: dann nur, wenn Sie ALLE Kinder mitnehmen. Oder einschläfern. Oder irgend sowas. Aber bitte nicht behaupten, alles wäre gut. Es ist ein Boot-Camp! Und ich frage mich gerade, wer hier wen exerzieren lässt.
Ich werde mal bei der Krankenkasse anfragen, ob ich eine Vater-ohne-alle-Kur bekommen kann. Ist mir auch egal wohin. Hauptsache ohne Fensterputzen.
Den Antrag stelle ich am besten mit dreifachem Durchschlag … Sie wissen schon, an wen.
Exkurs: §1618a und §1619 BGB – sollten Sie in ähnlicher Lage stecken wie ich, hilft das Zitat der Paragraphen Wunder. Die Fenster sind dann zwar immer noch nicht geputzt, aber zumindest verwandelt es ihre Hilflosigkeit im Kampf gegen dämliche Argumente in klare Macht gegen die Faulheit. (Zitat einfügen). Sh. Hierzu auch in Band 1 das Kapitel „wenn aus Kindern Juristen werden“.
In der Zwischenzeit bin ich meiner liebsten und langsam im Normal-Modus angekommenen fröhlichsten Ehefrau von allen hinterher gereist, habe die ungeputzten Fenster und den aufsässigen Chill-Out-Modus zu Hause dem leiblichen Vater zur Kur überlassen und versuche diese zehn Tage Boot-Camp zu vergessen. Leider habe ich selbst nur ein paar Tage frei. Mal sehen, ob die Fenster geputzt sind, wenn wir nach Hause kommen.