Ist Selbstliebe dasselbe wie Egoismus oder sogar Narzissmus?
Nein, meiner Meinung nach ist Selbstliebe nicht dasselbe, sondern das Gegenteil von Egoismus, Narzissmus oder was uns auch immer Negatives in den Sinn kommen mag.
Selbstliebe vs. Selbstverliebt
Wenn wir bei dem Wort Selbstliebe ein ungutes Gefühl haben, dann liegt es möglicherweise daran, dass wir es mit Selbstverliebtheit verwechseln. Selbstverliebtheit klingt für viele nach Verliebtheit, Schmetterlinge im Bauch, Glücksgefühle, die wir am Anfang eine Beziehung oder Affaire haben, nicht wahr?
Wenn wir verliebt sind, wie real nehmen wir die Person wahr, in die wir verliebt sind?
Das ist eher eine rosarote Vorstellung, die wirkliche Realität kommt meist später, wenn man zusammenlebt. An Anfang idealisieren wir oder verehren gar den Partner. Dies ist analog zu sehen als wenn wir ein Bild heftig mit allen möglichen Filtern auf dem Smartphone bearbeiten würden und dabei alle Makel ausblenden. Anders gesagt, ist Verliebtheit eine Art „Illusion“. Wahre Liebe im Gegensatz hat nichts mit Illusionen, Photoshop oder Fantasien zu tun. Wahre Liebe ist das, was wir in der Realität erfahren und lieben. Wenn wir jemand wirklich lieben, lieben wir ihn nicht, weil er perfekt ist, wie auf dem Cover einen Hochglanz Magazins, sondern trotz, oder noch besser, gerade wegen seiner Unperfektheit. Bei der wahren Liebe sind beide Partner auf einer Augenhöhe und sind zufrieden auf dem realistischen Boden der Tatsachen.
Anders ist dies bei selbstverliebten Menschen, die sich selbst wie auf eine Bühne stellen und auf alle anderen hinunterblicken. Sie machen die anderen klein, damit sie sich selbst größer fühlen können. Das ist ähnlich zu sehen, als wenn die Person sich selbst durch einen Filter oder eine rosarote Brille anschaut und sie blendet dabei völlig die eigenen Schwächen und Fehler aus. Diese Person ist überzeugt, dass sie die schönste, tollste, klügste ist und alle anderen natürlich nicht.
Außerdem sind wir bei Selbstliebe nicht (!) auf unsere Partner, Familien, Kinder, Eltern, Freunde oder Kollegen angewiesen. Selbstliebe hat nur etwas mit uns selbst zu tun. Selbstliebe braucht keinen anderen. Egoistisch ist nicht der, der sich um sich selbst kümmert, sondern eher derjenige, der es von anderen erwartet, ohne aktiv selbst etwas für sich tun zu wollen.
Wie oft geschieht es, dass Menschen erwarten, dass die anderen sie lieben und dabei hassen sie sich und lehnen sich selbst ab? Wahre Liebe ist ohne Selbstliebe nicht möglich. Solange ich keine Liebe in mir habe, kann ich sie auch nicht teilen.
Was ist jetzt der Unterschied zum Narzissmus?
Narzissmus sehe ich als Folge eines Mangels, der allerdings meistens unbewusst bleibt. Es entsteht eine Leere, die ein narzisstischer Mensch durch andere Menschen zu füllen versucht. Er ist also auf die Bestätigung durch andere Menschen angewiesen. Auch wenn manche sich jetzt fragen, ob wir nicht alle immer wieder mal eine Bestätigung im Leben brauchen, möchte ich hier betonen, dass oft die Bestätigung von außen gebraucht und gefordert wird und dies, weil man eben diese Bestätigung sich selbst nicht geben kann. So entwickelt sich ein Zwang zur Bestätigung von außen und somit Abhängigkeit von anderen. Zudem versuchen Narzissten ihren Mangel an Selbstwertgefühl oder Selbstliebe durch absolut übertriebene Selbstbewunderung auszugleichen.
Narzissmus hat also nichts mit Selbstliebe zu tun, Narzissmus beruht auf einem Mangel an dieser. Selbstliebe hat auch nichts mit Selbstverliebtheit zu tun und bedeutet einfach nur, dass wir »Ja« zu uns selbst sagen und mit uns selbst, wie es so schön heißt, im Reinen sind.
Quelle: Beziehungsalchemie: Als ich mir eine Chance gab, hat das Leben mich beschenkt von Larissa Wasserthal