Die Macht der Geschwister
Erstgeborenen kam und kommt in Märchen und in der Geschichte stets eine besondere Bedeutung zu. Wer zuerst geboren wurde, dem war der Ruhm gewiss, der hatte besondere Talente, die Welt lag und liegt ihm zu Füßen.
Die Thematik der Geburtsfolge ist nicht nur in Märchen und der Geschichte wichtig. Die Psychologie und Psychotherapie beschäftigen sich seit Jahren mit dieser Thematik. Das erste Kind nimmt zwar nicht die Stellung wie in einem Märchen ein. Aber es hebt sich auf jeden Fall von seinen Geschwistern ab.
Das erstgeborene Kind
Viele Mythen umspinnen dieses Thema. Sigmund Freud war das älteste Kind, und hat seine Erfolge mit großen Sprüngen beschritten. Er könnte als das typische „Erste Kind“ beschrieben werden. Dann gibt es da aber noch Kant. Ja, und Kant, der war das vierte unter neun Geschwistern, und steht Freud auf seine Art und Weise um nichts nach.
Das erste Kind wurde und wird ausgiebig erforscht. Hartmut Kasten und Karl König haben diesem Thema ganze Bücher gewidmet. Denn die Geschwisterfolge ist nicht nur für den Erfolg, sondern für psychische Probleme ausschlaggebend.
Bei den Erstgeborenen gibt es grundsätzlich zwei Gruppen. Jene, die als Einzelkinder weiterleben, und jene, denen Geschwister nachfolgen. Die Einzelkinder nehmen eine gesonderte Stellung ein, denn sie werden stets auf sich allein gestellt sein.
Nicht nur in der Vergangenheit nahm das erstgeborene Kind eine besondere Rolle ein. Erstgeborene Töchter und Söhne werden mit großer Freude und Dankbarkeit von ihren Eltern erwartet. Das erste Kind wird oftmals zu einem großen Ereignis. Der Einzug wird minutiös vorbereitet, die Aufregung steigt je näher die Geburt heranrückt. Eltern betrachten ihre Erstgeborenen oftmals als triumphales Geschenk – und so behandeln sie den Sprössling dann auch.
Die Erstgeborenen in der Geschwisterreihe ziehen nicht nur die gesamte Aufmerksamkeit auf sich. Eltern, die nur ein Kind haben, sind meist mit mehr finanziellen Ressourcen gesegnet, können ihrem Sprössling mehr bieten. Allerdings ist nicht alles Gold, das glänzt. Oftmals sind Eltern bei den erstgeborenen Kindern sehr unerfahren und jung, wissen noch nicht alles über Erziehung, machen den einen oder anderen Fehler, der ihnen natürlich nachgesehen wird.
Das zweitgeborene Kind
Die Kinder, die den Erstgeborenen folgen, haben Vorteile und Nachteile. Ihre Eltern sind weitaus gelassener und entspannter, sie kennen die Herausforderungen mit einem Kind bereits. Nichts bringt sie noch aus der Ruhe. Allerdings werden die finanziellen Ressourcen aufgeteilt, was bedeutet, dass der Gürtel oftmals ein wenig enger geschnallt werden muss.
Die zweitgeborenen Kinder bilden soziale Kompetenzen aufgrund ihrer Geschwisterkonstellation schneller aus, lernen besser teilen, sind aber stets bestrebt den ersten „Platz an der Sonne“ einzunehmen.
Die Geschwisterfolge und ihre Auswirkung auf die Karriere
Den Erstgeborenen werden oftmals kopflastige Tätigkeiten zugeschrieben, während Zweitgeborene eher künstlerische Fähigkeiten und Fertigkeiten an den Tag legen. Natürlich dürfen der individuelle Charakter der Kinder und die Eigenschaften der Eltern, nie außer Acht gelassen werden. Während ältere Geschwisterteile oftmals beschützt werden, bieten Eltern den nachfolgenden Kindern häufiger mehr Freiräume. Die ersten Kinder wollen auch im Job die erhöhte Aufmerksamkeit erlangen, die ihnen jahrelang zuteilwurde. Führungspositionen sind hier keine Seltenheit. Zweitgeborene schlagen oftmals einen sportlichen oder künstlerischen Berufsweg ein. Die jüngeren Kinder leben gerne ihren Freigeist aus und sorgen auf andere Art und Weise für Aufmerksamkeit.
Konfluenzmodell versus Nischenmodell
Das Konfluenzmodell entstammt den 1970er Jahren. Seither wurde es oftmals kritisiert, findet aber dennoch immer wieder seine Verwendung bei der Erforschung von Geschwisterreihen. Bei diesem Modell werden die elterlichen Ressourcen, die sich verdünnen, gegen die Erweiterung durch Geschwistereffekte gehalten. Ältere Geschwister können den jüngeren Brüdern und Schwestern als Vorbild dienen, können eine Lerngelegenheit sein. Die Verdünnung der elterlichen Ressourcen wird bei diesem Modell aufgrund der höheren Anzahl der Kinder begründet.
Frank Sulloway brachte mit seinem Nischenmodell in den 1990er Jahren einen neuen Blickwinkel in dieses Feld. Kinder formen ihre Persönlichkeit, wenn sie bestimmte Nischen in der Familie besetzen. Erstgeborenen wird bei diesem Modell nachgesagt, dass sie sich am Modell ihrer Eltern orientieren, da es noch keine jüngeren Geschwister dafür gibt. Oftmals sind Erstgeborene aufgrund ihrer Nische angepasst und neigen zum Perfektionismus.
Fazit
Die Geschwisterreihe hat einen Einfluss – auf Kinder, auf Eltern und auf berufliche Karrieren. Neben der Abfolge der Kinder kommen aber auch andere Faktoren hinzu, die nicht außer Acht gelassen werden sollten. Demnach sollte die Geschwisterfolge nie für sich allein stehen, sondern stets in ihrem Kontext betrachtet werden.