Sollen Teenager ab 16 wählen dürfen?
Wahlrecht ab 16 – gute Idee oder nicht?
Mein Sohn ist 16 und seit gut zwei Jahren auf eine mehr oder weniger politische Weise aktiv. Er fragte mich vor kurzem, ob es sein kann, dass er angesichts des Krieges in der Ukraine ab seinem 18. Lebensjahr an wehrpflichtig ist und bereit sein soll, im Krieg sein Leben für das Vaterland einzusetzen. Aber im Gegensatz dazu hat er keine Möglichkeit, durch sein Wahlrecht die Außen- und Verteidigungspolitik zu beeinflussen.
Das führt bei uns zu Diskussionen, ob eine Absenkung des Wahlalters auf 16 eine sinnvolle oder weniger sinnvolle Sache wäre. Hier habe ich einige Punkte zur aktuellen Rechtslage und zu den Pro- und Contra-Argumenten zusammengetragen. Vielleicht wird Ihnen das eine oder andere vertraut vorkommen. In jedem Fall ist es gut, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen.
Die geltende Rechtslage
Wer sich über das Wahlrecht und eine mögliche Absenkung des Wahlalters auf 16 Gedanken macht, muss zunächst einmal das geltende Wahlrecht kennen. Hier lässt sich einerseits das aktive und passive Wahlrecht unterscheiden und andererseits das Wahlrecht auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene.
Inhaber des passiven Wahlrechts dürfen sich als Kandidaten aufstellen und von Inhabern des aktiven Wahlrechts wählen lassen. Das Mindestalter für das passive Wahlrecht beträgt bei Kommunal-, Landtags- und Bundestagwahlen 18 Jahre. Einzige Ausnahme: der hessische Landtag. Hier gilt ein Mindestalter von 21 Jahren.
Das aktive Wahlrecht ist bezogen auf das Alter weniger einheitlich. Es liegt für Bundestagswahlen ebenfalls bei 18 Jahren. Für die auf Landesebene geregelten Landtags- und Kommunalwahlen ergibt sich ein gemischtes Bild aus dem Mindestalter 18 und dem Mindestalter 16. Hier die vollständige Übersicht. „KW“ steht für Kommunalwahlen und „LW“ für Landtagswahlen:
Aktives Wahlrecht nach Mindestalter in deutschen Bundesländern und Kommunen
Baden-Württemberg: LW = 16; KW = 16
Bayern: LW = 18; KW = 18
Berlin: LW = 18; KW = entfällt
Brandenburg: LW = 16; KW = 16
Bremen: LW = 16; KW = 16
Hamburg: LW= 16; KW = entfällt
Hessen: LW = 18; KW = 18
Mecklenburg-Vorpommern: LW = 18; KW = 16
Niedersachsen: LW = 18; KW = 16
Nordrhein-Westfalen: LW = 18; KW = 16
Rheinland-Pfalz: LW = 18; KW = 18
Saarland: LW = 18; KW = 18
Sachsen: LW = 18; KW = 18
Sachsen-Anhalt: LW = 18; KW = 16
Schleswig-Holstein: LW = 16; KW = 16
Thüringen: LW = 18; KW = 16
Wie ließe sich das Wahlalter auf 16 absenken?
Geht es um Forderungen, das Wahlalter auf 16 abzusenken, ist damit meist die Absenkung des aktiven Wahlrechts bei den Bundestagswahlen gemeint. Landtags- und Kommunalwahlen werden aber oft mitgedacht. Was würde eine solche Absenkung konkret erfordern? Antwort: Eine Zweidrittelmehrheit des Bundestags beziehungsweise Landtags, wenn es um Landtags- oder Kommunalwahlen geht.
Eine Änderung des Mindestalters für das passive Wahlrecht würde zugleich die Absenkung der Volljährigkeit auf 16 erfordern. Artikel 38 des Grundgesetzes sagt ausdrücklich: „Wahlberechtigt ist, wer das achtzehnte Lebensjahr vollendet hat; wählbar ist, wer das Alter erreicht hat, mit dem die Volljährigkeit eintritt.“
Pro 16 – die Argumente der Befürworter
Befürworter des Wahlrechts ab 16 betonen die frühere geistige Reife heutiger 16- bis 17-Jähriger im Vergleich zu vorangegangenen Generationen.
Auch der Gedanke der Generationengerechtigkeit spielt eine wichtige Rolle. Die geburtenstarken Jahrgänge der heute über 50-Jährigen stellen die Mehrheit der Wahlberechtigten. Deshalb schlagen sich ihre Ansichten stärker in den Wahlergebnissen nieder als die Meinungen der jüngeren Generationen. Tatsächlich müsste das Wahlrecht ab Geburt gelten, damit die Generationen unter 50 in der Mehrheit wären. Einen solchen Schritt fordert natürlich niemand, aber er veranschaulicht das Problem aus Sicht der Befürworter.
Ein weiteres Argument betrifft die Diskrepanz zwischen dem Wahlrecht der 16- bis 17-Jährigen und anderen Lebensbereichen. Die jungen Menschen dürfen in Vollzeit arbeiten und müssen dann wie Erwachsene Steuern zahlen. Sie dürfen außerdem einer Organspende zustimmen.
Betrachtet man die freiwillige Partizipation der Jugendlichen jenseits der Wahlen, sehen die Befürworter eine Generation, die sich aktiv engagiert, beispielsweise in Bewegungen wie Fridays for Future. Des Weiteren verweisen die Befürworter auf positive Erfahrungen, die bereits mit dem Wahlrecht ab 16 gemacht wurden – entweder in Deutschland auf Landesebene und kommunaler Ebene oder im Ausland. In Österreich gilt ein Wahlalter von mindestens 16 auf allen Ebenen.
Nicht zuletzt wird das Argument der Betroffenheit von Politik vorgebracht. Jugendliche seien aufgrund ihres Alters am stärksten und längsten von den langfristigen Folgen von Politik betroffen. Das werde besonders bei Aspekten wie der Altersvorsorge und den Folgen von Politik für den Klimawandel deutlich.
90-Jährige dürfen wählen, 16-Jährige aber nicht? Warum plädiert niemand plädiert dafür, älteren Menschen aufgrund des Verdachts auf Verschlechterung der kognitiven Leistungsfähigkeit das Wahlrecht zu entziehen?
Contra 16 – die Argumente der Gegner
Gegner einer Absenkung des Wahlalters auf 16 bezweifeln die größere Reife heutiger Jugendlicher im Vergleich mit ihren Vorgängern. Sie verweisen außerdem darauf, dass die jungen und bereits wahlberechtigten Teile der Bevölkerung seltener zur Wahl gehen als ihre älteren Mitbürger.
Bei Absenkung des Wahlalters befürchten die Gegner eine Verstärkung dieses Effekts durch die noch Jüngeren. Wahlrecht werde dadurch zu einem Angebot, für das es kein hinreichendes Interesse gibt. Darüber hinaus sei die Welt in den vergangenen Jahren komplexer und nicht einfacher geworden, sodass heute ein größeres Wissen für eine gut informierte Entscheidung nötig ist. Jugendliche hingegen seien trotz größerer Politisierung primär mit sich selbst und ihrem persönlichen Umfeld beschäftigt.
FAZIT
Egal, ob Sie zu den Befürwortern oder zu den Gegnern zählen. Es lässt sich nicht leugnen, dass die junge Generation und ihre Argumente nicht einfach von der Hand zu weisen sind.
Viele Jugendliche sind sich ihrer Verantwortung für die eigene Zukunft sehr bewusst. Wir sollten also vor den Sechzehn- und Siebzehnjährigen keine Angst haben. Die zentrale Aufgabe des Unterrichtsfaches Politik-Wirtschaft ist es, die Schülerinnen und Schüler in die Lage zu versetzen, politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Sachverhalte, Probleme und Interdependenzen zu erfassen, zu beurteilen sowie Interessen zu artikulieren und Entscheidungen zu treffen. Nur wer seine Stimme abgibt, hat auch tatsächlich eine.