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Coronakrise und die Folgen für unsere Kinder

Timo war immer ein guter Schüler: neugierig, wissensdurstig und beliebt bei seinen Klassenkameraden. Doch heute nach über zwei Jahren Corona-Pandemie erkennen ihn seine Eltern kaum wieder.

Der 14-Jährige hat keine Lust mehr zu lernen, bleibt lieber für sich allein im Zimmer oder hängt vor dem Tablet ab. „Jetzt ist es mittlerweile so, dass Timo nicht mehr in die Schule will“, ist Mutter Erika verzweifelt. Sie und ihr Mann Bernd haben immer wieder versucht, ihren Sohn zu motivieren. Auch ins Fußballtraining will der 14-Jährige nicht mehr. Die durch die verschiedenen Lockdowns verursachten Einschränkungen, Isolationen, Bewegungsmangel und Schutzmaßnahmen haben nicht nur bei Timo starke Auswirkungen.

Zum Schutz der Älteren zurückstecken

Mittlerweile durchlebt Deutschland die vierte Welle der Corona-Pandemie. Durch die Omikron-Variante stiegen die Infektionszahlen hierzulande auf neue Rekordwerte. Ein Ende ist noch nicht in Sicht. Zu oft kamen in der jüngsten Vergangenheit neue Varianten von Covid-19 auf. Zu oft reagierten Bund und Länder in Deutschland mit Einschränkungen, die auch drastische Auswirkungen auf Kinder hatten. Schulschließungen und Heimunterricht, keine Freunde mehr auf dem Spielplatz treffen, kein Fußballtraining, der Gitarrenunterricht fiel aus – auch Timo musste auf Normalität verzichten. „Während der ersten Welle hat Timo die Belastungen gut weggesteckt. Da war das alles eher wie ein großes Abenteuer, mit der Hoffnung verbunden, dass bald alles wieder normal wird“, erzählt Mutter Erika. Doch es kam anders. Die zweite Welle kam und nicht nur bei Timo wuchs die Einsamkeit. Denn gerade für Kinder und Jugendliche fühlt sich ein unbeschwerter Feriensommer wie ein halbes Leben an.

Die Ängste der Jungend

Deshalb nehmen aufgrund der Corona-Restriktionen psychische Probleme bei Kindern und Jugendlichen zu. Das ergab die COPSY-Hamburg Studie aus 2020 und 2021.Die Forscher befragten dafür fast 1.600 Familien mit Kindern zwischen sieben und 17 Jahren zu ihrer Lebensqualität und den psychischen Auswirkungen der Pandemie. Die Ergebnisse sind alarmierend. Denn vier von fünf befragten Kindern fühlen sich durch die Pandemie belastet. Sieben von zehn befragten Kindern und Jugendlichen geben demnach an, dass sich ihre Lebensqualität verschlechtert hat. Die daraus entstandenen psychische Probleme schlagen sich in Niedergeschlagenheit, Ängste und Sorgen sowie Kopf- und Bauchschmerzen an. Antriebslosigkeit ist eine weitere Auswirkung. Timo will heute nicht mehr in die Schule gehen. „Er sagt selbst, dass er darin keinen Sinn sieht“, berichtet Vater Bernd. Auch mit Freunden will sich der Schüler nicht mehr treffen. Sie hoffen, dass er bald wieder sein seelisches Gleichgewicht findet, raus aus der depressiven Stimmung und sozialen Isolation.

Auf Normalität verzichten belastet vor allem drei Gruppen von Kindern und Jugendlichen. Diejenigen Kinder, die schon vorher an einer psychischen Krankheit litten und behandelt wurden, dachten indessen eigentlich, dass sie geheilt wären. Dann kam die Pandemie und warf sie in ihrer Entwicklung wieder zurück. Kinder, die aktuell an einer psychischen Krankheit leiden, riss die Corona-Pandemie den Boden unter den Füßen weg. Stark beeinträchtigt die Pandemie aber vor allem Kinder, die schon immer furchtsamer gewesen sind, keine starke Familie haben oder aufgrund der Arbeitssituation der Eltern sowieso schon oft allein waren und etwa keine Hilfe bei den Hausaufgaben von ihren Eltern erwarten konnten. Die COPSY-Studie bestätigt, dass schon nach einem Jahr nach Pandemie-Beginn fast jedes dritte Kind unter psychischen Auffälligkeiten litt. Das drückt sich – wie bei Timo – durch Sorgen und Ängste sowie depressive Stimmungen und psychosomatische Beschwerden aus. Vor allem sind hiervon allerdings Kinder aus sozial schwächeren Verhältnissen oder mit Migrationshintergrund betroffen. Allerdings zeigt sich auch, dass stabile Familienverhältnisse große Wirkung gegen solche Pandemie-Auswirkungen haben. Denn hier kann vor allem dem Gefühl der Einsamkeit entgegengewirkt werden.

Nachfrage nach Beratungen gestiegen

Trotzdem müssen seit der zweiten Welle viele betroffene Kinder professionelle Hilfe aufsuchen. Tieferliegende psychische Probleme sollten mit Unterstützung eines Therapeuten gelöst werden. Doch einen freien Platz zu finden, ist keine leichte Aufgabe. Seit Mitte 2020 kommen 30 Prozent mehr Kinder zu Kinderpsychologen in Deutschland. So gibt es Wartelisten von 300 Patienten. Kinder müssen bis zu sieben Monate auf eine Behandlung warten. Es fehlt an niederschwelligen Hilfsangeboten.

Timo hat mittlerweile einen Platz bekommen. „Wir merken schon Fortschritte. Timo ist weniger verschlossen und er freut sich schon wieder auf das Fußballtraining“, erzählt seine Mutter. Zudem unternimmt die Familie noch mehr zusammen in der Freizeit und auch bei den Schulaufgaben ist immer ein Elternteil bei Timo, sodass sich der 14-Jährige immer sicher und geborgen fühlt.

 

Fazit:

Timo ist leider kein Einzelfall. Viele Kinder leiden unter der Pandemie. Selbst wenn diese Zeit vorüber ist, werden Kinder und Jugendliche mit den Nachwirkungen zu kämpfen haben. Und sie haben keine öffentlichkeitswirksame Interessenvertretung. Deshalb gilt es, den Nachwuchs innerhalb der Familie zu stärken und durch die Politik mehr Therapiemöglichkeiten zu schaffen. Denn dann kann auch wieder Normalität einziehen.