Der digitale Kulturwandel an unseren Schulen
Die Aussetzung des regulären Schulbetriebs im Frühjahr 2020 und 2021 infolge der Pandemie stellt eine noch nie zuvor dagewesene Ausnahmesituation für die Bildungslandlandschaft in Deutschland dar. Die Schule als zentralen Ort des Lernens und Lebens gibt es so nicht mehr. Die Krise hat uns verdeutlicht: Es waren und sind die digitalen Medien, die das Weiterlernen ermöglichen.
Die Krise zwingt uns auch, über die Möglichkeiten und Sinnhaftigkeit digitalgestützten Lehren und Lernens zu reflektieren und über zeitgemäße Schule in unserer sich schnell verändernden Welt nachzudenken. Sie ist ein Katalysator zum digitalen Reset. Darüber und dass wir den Digitalisierungs-Zug auf keinen Fall verpassen dürfen, sind sich die meisten einig.
Verunsicherung und Angst
Lerninhalte und didaktisches Vorgehen in der Aus- und Weiterbildung haben einen hohen Stellenwert. Oft werden jedoch den begleitenden Emotionen der Kinder beim Lernen, zu wenig Beachtung geschenkt. Lehrkräfte sind sich des großen Handlungsspielraum oft nicht bewusst, den sie zugunsten der ihnen anvertrauten Kinder und Jugendlichen ausschöpfen können.
Die Skepsis gegenüber dem Internet und der Nutzung sozialer Medien für das Lernen ist noch groß und viele Lehrkräfte verfügen über zu wenig Pioniergeist. Sie probieren zu wenig aus und verantworten ungern. Es gilt eher die Maxime Krisenmanagement statt digitaler Revolution.
Ob nun die Lehrer der Schule Ihres Kindes zu den digitalen Vorreitern gehören, eine echte Aufbruchstimmung ist nicht zu verzeichnen. Eher eine Sensibilisierung.
Licht und Schatten
Während auf der Schülerseite schon die zweite Generation von ‚digital natives‘ heranwächst, ist die Lehrerschaft in zwei Lager gespalten.
Auf der einen Seite gibt es die technikaffinen Kollegen, die digitale Medien wie selbstverständlich im Unterricht einsetzen und nebenher noch einen Youtube-Kanal mit Mathe-Erklärvideos betreiben. Oder die, die ihren Unterricht mithilfe von ‚Gamification‘ gestalten – also mit Einsatz von Computerspielen wie ‚Classcraft‘ ergänzen und ihre Schüler im Grammatik-Unterricht als Krieger, Magier oder Heiler in eine phantastische Geschichte reisen lassen.
Auf der anderen Seite sind diejenigen, die eher in traditionellen Lehren verhaftet sind. Die Skeptiker, die Google, Wikipedia & Co. misstrauen und sofort mit der DSGVO-Fahne schwenken – oder angesichts des ohnehin schon schwierigen Schulalltags vielleicht auch schlicht keine Lust haben, sich mit neuen Technologien auseinanderzusetzen.
Wer schon auf dem digitalen Weg war, hat schnell reagieren können. Andere haben die Notwendigkeit erkannt, zu reagieren und wieder andere setzen sich eben immer noch nicht mit den neuen Möglichkeiten auseinander.
Wie digital darf es sein?
Die Dosis macht das Gift. Und hier wird es interessant. Es ist wissenschaftlich erwiesen, dass digitaler Unterricht den analogen Unterricht bereichern kann und die Motivation und auch den Lernerfolg von Schülern verbessert – vor allem in MINT-Bereichen. Doch digitale Medien allein garantieren noch keinen Erfolg. Es kommt vielmehr darauf an, welche Formen digitaler Medien auf welche Art in den Unterricht integriert werden.
Die Verwendung von digitalen Whiteboards an einem deutschen Gymnasium wurde 2016 in einer Fallstudie der Lancaster University in England veröffentlicht. Hierin wurde untersucht, wie die Schüler untereinander und mit den Lehrern zusammenarbeiten, aber auch wie sich deren Lernmotivation, Mitarbeit und Konzentration verhält. Die Ergebnisse waren durchweg positiv: Die Schüler haben mit den digitalen Whiteboards aufmerksamer am Unterricht teilgenommen, anhand von visuellen Darstellungen schneller gelernt und sich besser untereinander ausgetauscht. Es konnten also nicht nur größere Lernfortschritte und eine bessere Diskussionskultur und Inklusion, sondern auch eine höhere Motivation erreicht werden.
Zusammen gefasst bedeutet das:
- Aktivere Teilnahme
Durch digitale Medien kam es zu einer gesteigerten Bereitschaft, am Unterricht aktiv mitzuarbeiten und ihn kreativ mitzugestalten. - Konstruktiverer Austausch
Digitale Medien fördern fachliche Gespräche und Diskussionen zwischen den Schülern. - Höhere Motivation
Vor allem in MINT-Fächern waren Schüler durch digitale Medien im Unterricht motivierter und begeisterungsfähiger. - Verbesserte Inklusion
Durch bessere Sichtbarkeit an digitalen Tafeln und Screensharing werden auch Schüler mit visuellen oder Mobilitätsbeeinträchtigungen optimal in den Unterricht inkludiert. - Größere Lernfortschritte
Unter der Begleitung von Lehrkräften konnten Schüler mit intelligenten Tutorenprogrammen individueller und besser lernen und erzielten größere Fortschritte.
Zukunftsmusik
Das aktuelle Pandemiegeschehen legt die Befürchtung nahe, dass der Unterricht auch für den Rest des Schuljahres 2020/21 beeinträchtigt sein wird und zumindest inhaltlich dem Infektionsschutz zum Opfer fallen wird. An der technischen Ausstattung der Schulen wird sich strukturell noch nicht viel ändern. Unser Schüler von heute werden in Schulen von gestern mit den mittelalterlichsten Methoden von vorgestern auf die Probleme von morgen vorbereitet.
Für die langfristige Entwicklung der Schullandschaft ist es daher eine absolute Notwendigkeit, neue Wege der Lernkultur zu suchen und digitale Technologien in das Bildungssystem aufzunehmen.
Lehrkräfte profitieren davon, da digitale Unterrichtswerkzeuge sie von den räumlichen Zwängen des Unterrichts befreien. Sie können ihren Unterricht systematisch vorbereiten und ihre Schüler besser beim Lernen anleiten. Die Schüler können ihre persönlichen Stärken besser in den Unterricht einbringen. Durch den schrittweisen Einsatz digitaler Werkzeuge in der Schule halten sie auf einfache Weise mit der gesellschaftlichen Entwicklung Schritt und werden auf ihre Zukunft vorbereitet.
Fazit: Ziel soll es nicht sein, bewährte analoge Formate zu verbannen und sehr gut gemachte Lernprogramme zu ersetzen. Ziel muss es einmal sein, beim Umzug vom Klassenzimmer in den digitalen Raum mithilfe der digitalen Infrastruktur einen problemlosen Distanzunterricht zu gewährleisten. Und zum anderen die digitale Welt in die Bildungspläne mit einzubeziehen. Hier müssen alle Akteure mit eingebunden werden.