Eltern als Ersatzlehrer
Eltern und Kinder unter Druck
Mama, machen wir jetzt mein Referat? Kennen Sie das?
Mit dem Schulstart in Hessen beginnt für viele Familien wieder der Alltag mit Schulkindern. Eine echte Herausforderung, da fast zwei Drittel der Schüler schulische Unterstützung benötigen.
Schon in der vierten Klasse wird erwartet, dass unsere Kinder wie Studenten recherchieren. Natürlich im Internet. Um hier aber etwas zu finden, sind Suchstrategien und Kenntnis über Kinder-Suchmaschinen notwendig. Ebenso sollte man schnell erkennen können, welche Seiten seriös, welche unseriös und welche für die eigene Frage wichtig oder unwichtig sind. Schon die grundsätzlich geeignete Website zur entsprechenden Klassenstufe und dem passenden Fach zu finden, da tun sich selbst ältere Kinder schwer.
Eltern als Hilfs-Lehrer
Irgendwie ist es selbstverständlich, dass wir Eltern zumindest in den ersten Schuljahren das häusliche Lernen planen und mit begleiten. Vor allem sind es die Mütter, die in die Bibliothek laufen, Bücher und sonstiges Schulmaterial kaufen oder bei der Internet-Suche nach Texten und Bildern und Texten Unterstützung leisten. Sie leisten Hilfe, die wichtigen Informationen aus den Texten zu entnehmen und sie dann sinnvoll zu strukturieren. Soll das Ganze dann noch in einer Arbeitsgruppe erledigt werden, gilt es, die Klassenkameraden zusammenzutrommeln und zu sehen, dass die Kinder vorankommen und fertig werden.
Für die Hausaufgabenbetreuung geben manche Mütter ihren Job auf. Andere übernehmen sie gleich selbst, damit die Noten stimmen. Väter brüten nach Dienstschluss über der Relativitätstheorie – und wundern sich, dass Ihnen um diese Uhrzeit nicht nur die Geduld, sondern oft auch das Wissen dafür fehlt. Denn, wenn das erste Kind schulpflichtig wird, ist meist unsere eigene Schulzeit bereits seit 15 – 20 Jahren passé. Die Grundschulzeit ist es sogar mehr als ein Vierteljahrhundert her.
Auch wenn es pädagogisch falsch ist, gehen Lehrer heute wie selbstverständlich davon aus und erwarten es stillschweigend, dass Eltern ihre Kinder beim Lernen coachen. In der Grundschule und im Gymnasium erst recht.
Chancengleichheit noch eine Wunschvorstellung
Nun gibt es aber auch Schüler, deren Eltern, einen sogenannten bildungsfernen Hintergrund haben. Andere wiederum können sich externe Nachhilfe schlichtweg nicht leisten. Es ist nicht völlig unmöglich, ohne solche Unterstützung in der Schule zu bestehen, aber diese Kinder haben es doppelt schwer in ihrer Schullaufbahn. Ein klarer Nachteil, der mit Begabung nichts zu tun hat. Die statistische Wahrscheinlichkeit, das Abitur oder einen Studienabschluss zu machen, ist für Kinder aus einem Akademikerhaushalt viel höher als für Kinder aus bildungsfernen Milieus.
All wenn das noch nicht genug wäre, werden Kinder niedriger sozialer Herkunft trotz gleicher Leistung teilweise schlechter von ihren Lehrern bewertet als ihre Mitschüler aus höheren Schichten.
Sind Eltern die besseren Nachhilfelehrer?
Das eigene Kind zu coachen, kann in einem genau koordinierten Maß und einem noch engeren Rahmen durchaus sinnvoll sein. Eltern sollten vor allem Ansprechpartner sein und unterstützend unter die Arme greifen. In den meisten Fällen können sie jedoch einen professionellen Nachhilfelehrer nicht ersetzen, der den Schüler so sieht, wie er ist! Nicht so wie er sein soll!
Eltern und Kinder befinden sind in einem Abhängigkeitsverhältnis zueinander. Emotionen und Vertrautheit erschweren bzw. behindern das Lernen. Fachliches vermischt sich mit Emotionen. Die Angst, dass das Kind den Anforderungen in der Schule nicht gewachsen sein könnte, geht einher mit der Ungeduld, weil wir unsere Zeit statt mit Üben gerne anders verbringen möchten. Manchmal sind wir auch ratlos oder negativ gegenüber einem Schulfach eingestellt, bei dem wir selbst unsere Schwierigkeiten hatten. All das kann zu Konflikten in der Eltern-Kind-Beziehung führen und auf beiden Seiten Druck aufbauen. Das gemeinsame Lernen macht niemandem Spaß, wird von Streit begleitet, dauert daher viel länger als nötig und führt selten zu guten Ergebnissen.
Das bedeutet jedoch nicht, dass sie keine Hilfe benötigen, denn Lernen ist anstrengend und Verstehen sogar noch anstrengender!