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Gemüsemuffel oder die Paprika, die vom Teller fliegt

Was haben Sie als Kind am liebsten gegessen? Die wenigsten dürften diese Frage mit „Gemüse“ beantworten.

Der Weg vom Rosenkohl in den Kindermund gestaltet sich schwierig und hat das Potenzial, den Familienfrieden stundenlang zu erschüttern. Für die meisten Kinder stellt allein der Anblick verschiedener Gemüsesorten eine regelrechte Herausforderung dar. Spinat, Brokkoli oder Rosenkohl werden bestenfalls unter der Drohung von Strafen widerwillig hinuntergeschluckt oder die Fähigkeiten im Weitspucken perfektioniert.

Warum mögen Kinder kein Gemüse?

Die meisten Eltern kennen das Problem, ihre Kinder für Gemüse zu begeistern, selbst der Einsatz eines Pürierstabs zeigt nur begrenzte Erfolge.
Möglicherweise lässt sich diese Ablehnung evolutionär erklären: Grüne Pflanzen könnten potenziell unreif oder sogar giftig sein, im Gegensatz zu den meisten reifen, süßen Früchten. Unsere genetische Programmierung bevorzugt süße Lebensmittel, und bereits Neugeborene reagieren auf Süßes mit entspanntem Lächeln und verstärkten Saugbewegungen. Bei sauren oder bitteren Geschmackseindrücken verziehen sie ihr Gesicht, spucken und würgen.

Zuckerhaltige Nahrung dagegen aktiviert die Belohnungszentren im Gehirn, wobei Kinder – deren Selbstkontrolle noch weniger ausgeprägt ist als bei Erwachsenen – weniger widerstandsfähig sind. Die Angst vor unbekannten Lebensmitteln entwickelt sich mit dem ersten Kontakt zu fester Nahrung gegen Ende des ersten Lebensjahres und erreicht ihren Höhepunkt meist zwischen zwei und sechs Jahren. Auch im Erwachsenenalter bleiben viele Menschen wählerisch, wobei die ersten Lebensjahre tatsächlich einen bedeutenden Einfluss auf das spätere Ernährungsverhalten haben.

Keine Chance für Junkfood und Co.

Kinder sollten eine reichliche Menge an pflanzlichen Lebensmitteln wie Gemüse, Obst, Kartoffeln und Brot zu sich nehmen. Tierische Produkte wie Milch, Eier und Fleisch sollten in Maßen konsumiert werden, während fett- und zuckerhaltige Lebensmittel nur selten auf dem Speiseplan stehen sollten. Dieses Ernährungskonzept wird nach wie vor empfohlen.

Es ist allgemein bekannt, dass Pommes, Chips und Fertiggerichte keine gute Grundlage für eine gesunde Kinderernährung darstellen. Dennoch sind der volle Terminkalender und die häufige Versuchung allgegenwärtig. Die Konsequenz dieser Ernährungsgewohnheiten: Jedes siebte Kind ist übergewichtig oder sogar adipös. Blutzucker- sowie Stoffwechselstörungen nehmen zu.

Nerven aus Stahl oder die richtige Strategie

Die Tatsache, dass Gemüse gesund ist, beeindruckt Kinder wenig, da sie noch nicht in der Lage sind, präventiv zu denken, und ihre zukünftige Gesundheit für sie keine Priorität hat. Wenn jedoch das Thema Gesundheit und Gemüse zu einem wiederkehrenden Anliegen der Eltern wird, reagieren Kinder oft mit Trotz, und das Gemüse bleibt unberührt liegen.

Es ist notwendig, dass Kinder aktiv lernen, den evolutionären Überlebensmechanismus zu überwinden. Dabei spielt der gute Geschmack eine entscheidende Rolle, da mindestens drei unserer Sinne – der Geruchssinn sowie der Tast- und Schmerzsinn – unser Empfinden beim Essen beeinflussen. Kinder gewöhnen sich allmählich an unbekannte, bekömmliche Nahrung, wenn sie diese wiederholt kosten, und speichern diese Erfahrungen als positive Erlebnisse im Gehirn ab. Daher ist es wichtig, dass Eltern ihre Kinder so früh wie möglich an eine vielfältige Ernährung heranführen.

Viel Geduld, Struktur und Entspannung notwendig

Präsentieren Sie das Gemüse subtil und ohne Druck, möglicherweise in mundgerechter Form und ansprechend arrangiert. Im Durchschnitt benötigen Kinder etwa acht Versuche, um unbekanntes, grünes Gemüse zu akzeptieren.

Um eine gesunde Ernährung zu fördern, ist auch der Rahmen wichtig. Regelmäßige gemeinsame Familienmahlzeiten am Tisch, bei denen eine ausgewogene Ernährung ohne Ablenkungen durch Handy oder Fernseher genossen wird, sind entscheidend für die Ernährungsgesundheit von Kindern.

Loben, Belohnung und Beteiligung

Britische Forscher der University College London haben die die heikle Frage ‚Wie schaffen wir es, Kinder zum Gemüseessen anzuspornen‘ neu gestellt. An der Studie nahmen 422 Kinder im Alter zwischen vier und sechs Jahren teil. Die Forscher kamen zu folgenden Ergebnissen:

Neben Lob sei es vor allem sehr effektiv, den Geschmack des gewünschten Essens immer wieder anzupreisen. Das allein reicht allerdings nicht. Richtig eingesetzt sind kleine Aufmerksamkeiten, außer anderes Essen oder gar Süßigkeiten als Anreiz, nicht nur unschädlich, sondern sie beeinflussen das Essverhalten sogar besonders nachhaltig positiv.

Zudem ist es definitiv hilfreich, die Kinder aktiv am Essensprozess zu beteiligen, um ihr Interesse an Gemüse zu steigern. Eine effektive Methode besteht darin, sie im Supermarkt ihr eigenes Gemüse auswählen zu lassen, gemeinsam mit ihnen das Gemüse zu schneiden und sie den Tisch decken zu lassen.

Zusätzlich können Sie, falls möglich, gemeinsam mit den Kindern Gemüse anbauen, Kräuter auf der Fensterbank ziehen oder während der Erntezeit einen Bauernhof zu besuchen.

 

TIPP: Wenn Sie bemerken, dass Ihre Kinder rohes Gemüse bevorzugen, können Sie flexibel planen. Kohlrabi, Möhren, Paprika, Tomaten und Gurken eignen sich hervorragend für den rohen Verzehr und können mühelos in den Speiseplan integriert werden. Im Falle von Bedenken bezüglich der Vitaminversorgung bieten sich Säfte als alternative Option an, die von vielen Kindern gerne akzeptiert werden. Ebenso können Sie durch selbst zubereitete Smoothies zu Hause auf einfache Weise die empfohlenen fünf Portionen Obst und Gemüse pro Tag erreichen, wie sie von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung empfohlen werden.