Hochbegabung – Auf der intellektuellen Überholspur
Dummerweise hochbegabt – Was ist anders bei hochbegabten Kindern
Geistige Fähigkeiten und ein soziales Umfeld wirken bei Hochbegabung zusammen. Ein herausragend gutes Gedächtnis und eine besonders ausgeprägte Merkfähigkeit; die Fähigkeit, Dinge zu ordnen und eine Struktur zu schaffen, komplexe Probleme schnell und gut zu lösen sowie ein für das Alter besonders gutes sprachliches Ausdrucksvermögen und ein ungewöhnlicher Wortschatz und eine frühe, weitgehend selbst gesteuerte Aneignung von Schreiben und Rechnen auf einem altersuntypisch hohen Niveau und Fertigkeiten im Lesen.
Erkennen Sie die genannten Merkmale in Ihrem Kind wieder? Sie können ein Hinweis auf eine Hochbegabung sein und Grund für eine Hochbegabungsdiagnostik sein.
Hochbegabung ist eine geistige Disposition auf vielen Gebieten. Hochbegabte Menschen können in Teilbereichen wie Sprachen, Musik oder Sport oder aber auch in mehreren Bereichen sehr begabt sein.
Grundsätzlich erhöht eine Hochbegabung nicht automatisch das Risiko, das dieser Mensch Probleme hat. Aber Reibungspunkte gibt es allemal. Die Hochbegabung muss erkannt werden und die Kinder erstmal zu ihren Begabungen finden und lernen, dass sie manche Dinge anders wahrnehmen und verstehen als ihre Mitschüler.
Hochbegabte Kinder fordern ja nicht nur sich selbst, sondern auch ihr Umfeld. Sie haben einen großen Wissenshunger und suchen überall Anregungen und Antworten auf ihre vielen Fragen. Nicht weil sie sie finden wollen, sondern sie finden müssen. Wer aber zu viel, zu tief, zu beharrlich fragt, erhält nicht unbedingt die Antworten, die ihn zufriedenstellen, sondern erntet häufig Verständnislosigkeit.
Kommt uns das vielleicht bekannt vor: Unser Kind fragt uns nach der Funktionsweise eines Windrades. Die häufigste Antwort auf so einer Frage lautet: „Dafür bist du doch noch ein bisschen klein. Das verstehst du noch nicht.“
Solche und andere Reaktionen zeigen Hochbegabten, wie befremdlich sie auf den Rest der Welt wirken können, nähren Selbstzweifel und führen im schlimmsten Fall zu dauerhafter Frustration bzw. Depression. Viele Kinder mit besonderen Fähigkeiten leiden unter dem Gefühl, andere zu überfordern und dabei selbst unterfordert zu sein. Als Erwachsene haben Hochbegabte mitunter das Gefühl, „mit angezogener Handbremse“ durchs Leben zu laufen.
Insgesamt ist es aber nur ein kleiner Prozentsatz der Hochbegabten, die durch ein besonderes Genie, Probleme in der Schule oder besonderes Verhalten auffallen. Die meisten hochbegabten Kinder, deren Potential erkannt wurde, kommen ausgeglichen und fröhlich durch ihre Kindheit, Ausbildung, Beruf und insgesamt durchs Leben. In ihrem Sozialverhalten unterscheiden sie sich im Schnitt nicht von normal begabten Kindern.
Unterschiede zwischen Mädchen und Jungen
Warum werden aber, trotz der ausgeglichenen Verteilung der Intelligenz zwischen den Geschlechtern, immer noch häufiger Jungen als Mädchen als hochbegabt erkannt. Woran liegt das?
Mädchen neigen im Vergleich zu Jungen stärker dazu, sich anzupassen, ihre Begabungen zu verstecken oder ziehen sich in sich zurück, weil die anderen „so dumm“ sind. Ihre Sensibilität ist höher gegenüber sozialen Signalen und um nicht aus der Gruppe herauszufallen, verstecken sie eher ihre Fähigkeiten. Mädchen schätzen ihre eigene Leistungsfähigkeit meist auch niedriger ein als Jungen. Wenn ein Mädchen im Diktat oder der Mathearbeit eine sehr gute Note schreibt, wird das meistens damit begründet, dass sie fleißig war oder auf der Grundschule einfach besser ist als Jungs. Es wird von den Eltern als nicht besonders wahrgenommen.
Meistens sind es die Jungen, die auffällig sind. Sie wollen Grenzen austesten, sind ungeduldiger und herausfordernder und werden häufig aggressiv oder zu Klassenclowns.
Etwa zwölf Prozent der Hochbegabten gehören zu den sogenannten Underachievern. Ihr Anders sein drückt sich in totaler Verweigerung aus. Sie sind chronisch unterforderte, kündigen innerlich, bekommen schlechte Noten und sind oft verhaltensauffällig.
Und so werden häufig Stereotype bedient – Hochbegabung glauben viele Eltern immer noch eher bei ihren Söhnen als bei ihren Töchtern zu erkennen. Hier beeinflusst die Erwartung die Wahrnehmung und die Hochbegabung vieler Mädchen wird nicht erkannt.
Begabte Kinder finden und fördern
Für die betroffenen Kinder und Jugendlichen ist es sehr wichtig, neben einer möglichst frühzeitigen Diagnose und einer individuellen und angemessenen Förderung, sich mit anderen hochbegabten Gleichaltrigen austauschen zu können. Diese teilen nicht nur ihre oft außergewöhnlichen Interessen, sondern sie fühlen sich auch von Ihnen in ihrer ganzen Persönlichkeit verstanden.
Die eigenen Eltern haben oft Schwierigkeiten, eine Hochbegabung bei ihrem Kind zu erkennen oder zu akzeptieren. Das liegt nicht nur daran, dass oft das Wissen darum fehlt, sondern auch, weil sie mögliche Komplikationen und den Druck in ihrem sozialen Umfeld fürchten und vermeiden möchten.
In verschiedenen Ratgeberbüchern oder auf Internetplattformen zum Thema Hochbegabung werden zahlreiche Checklisten von anderen Eltern hochbegabter Kinder, vom Bundesministerium für Bildung und Forschung oder von Herstellern von Babyausstattung angeboten. Meist sind diese Listen allerdings irreführend, zu vage und liefern keine verlässliche und gültige Information.
Festgestellt wird Hochbegabung über einen IQ-Test. 50 Prozent der Bevölkerung haben einen Intelligenzquotienten von 90 – 110, Hochbegabte einen IQ über 130. Nur etwa zwei von 100 Kindern verfügen über besondere kognitive Begabungen und kommen im Intelligenztests auf IQ-Werte jenseits der 130. Derzeit haben wir in Deutschland etwa 400.000 Kinder und Jugendliche und 1,8 Millionen Erwachsene, die als hochbegabt eingestuft sind.
IQ Tests werden im Allgemeinen bei intellektueller Hochbegabung erst ab einem Alter von rund 6 Jahren angeboten. Sollte schon vorher ein Test notwendig sein, so bedient man sich eines Entwicklungstests, der eine halbe bis dreiviertel Stunde dauert. In der Grundschule können meist noch keine validen Ergebnisse ermittelt werden, da es im Einzelfall noch Schwankungen von bis zu 20 IQ-Punkten gibt. Der IQ-Wert wird ja immer im Vergleich zu Gleichaltrigen gemessen und das Entwicklungstempo der Kinder kann voneinander abweichend verlaufen.
Erst vom frühen Jugendalter an gilt die Intelligenz als relativ stabil. Der Test bei älteren Kindern geht bis anderthalb Stunden. In bis zu zehn verschiedenen Untertests werden mathematisches Verständnis, Sprachvermögen, logisches Denken, Gedächtnis- und Verarbeitungsgeschwindigkeit geprüft. Aus den einzelnen Ergebnissen ergibt sich der Intelligenzquotient.
Die Karg Stiftung in Frankfurt hat sich die Hochbegabtenförderung von Kindern und Jugendlichen auf die Fahne geschrieben. Sie sucht im Einklang mit deren Bedürfnissen und Bildungsalltag professionell und partnerschaftlich passgenaue Wege für deren Förderung. Sie begleitet Eltern zum Thema Kita, Schule und Beratung. Die private Karl-Popper-Schule wird im Sommer 2019 ihre Arbeit als gymnasiale Sekundarstufe I in Frankfurt aufnehmen.
Wie geht der Rest der Welt mit Hochbegabung um?
Viele hoch begabte Kinder sind zu Hause ausgeglichen und zufrieden. Erst nachdem sie in Kindergarten oder Schule eintreten und in Kontakt mit der Außenwelt kommen, fangen die meisten Probleme an. Zwar geht die Öffentlichkeit und die Schulen heute offener mit dem Thema um als noch vor 20 Jahren. Trotzdem herrschen immer noch viele Vorurteile und Unwissenheit.
Die Gesellschaft tut sich schwer mit Hochbegabten. Das liegt zum einen daran, dass es bisher keine verpflichtende, auf Hochbegabung zugeschnittene Weiterbildung für Pädagogen gibt und zum anderen an den vielen Medienberichten, wo von „kleinen Einsteins“ oder „Problemkindern“ berichtet wird.
Es sind also oft die Eltern, die die geistige Frühreife ihres Nachwuchses rechtzeitig erkennen müssen und angemessen fördern. Sie müssen nach passenden Schulen, geeigneten Fördermöglichkeiten, zusätzlichen Denkspielen oder Freizeitaktivitäten etc., suchen. Gleichzeitig brauchen sie aber auch den Austausch mit anderen Eltern, die ähnliche Herausforderungen zu bewältigen haben.
Ein Balance-Akt zwischen Erziehung, Multi-Tasking, Coaching, Mentoring und Management und voll im Stress.