Pfundsfrauen – Rund ums Thema Lipödem
Die Veränderungen kamen langsam. Über die Zeit hinweg spürte ich, wie meine Kleidung nicht mehr so locker saß und meine Körperproportionen sich langsam veränderten. Meine Konfektionsgröße für Ober- und Unterkörper unterschied sich zunehmend voneinander. Ich bekam schnell und oft blaue Flecke und meine Beine waren druckschmerzempfindlich. Mein Gewicht nahm stetig zu. Weder Diäten noch vermehrter Sport zeigten Wirkung. Eine körperlich als auch emotional zermürbende Situation.
Durch Zufall bin ich auf die Krankheit Lipödem aufmerksam geworden und habe mich in das Thema eingelesen. Bestätigt wurde mein Verdacht nach dem Besuch bei einem Gefäßchirurgen. Ich hatte eine chronisch-fortschreitende Stoffwechsel-Erkrankung – ein Lipödem I Grades. Schätzungen zufolge ist jede zehnte Frau in Deutschland davon betroffen. Diese Information löste in mir sowohl Frustration als auch Erleichterung aus. Zumindest hatte ich endlich Gewissheit, dass ich nichts für meinen Zustand konnte. Ich trage selbst keine Schuld daran, dass ich übergewichtig bin.
Tatsächlich hat das Krankheitsbild Lipödem in den letzten Jahren nicht nur in der medizinischen Fachwelt, sondern auch in den öffentlichen Medien eine gesteigerte Präsenz erfahren. Aufgrund von Überschneidungen mit Adipositas gestaltet sich die Abgrenzung mitunter als problematisch. Dennoch ist eine klare Abgrenzung von essentieller Bedeutung, um eine gezielte und differenzierte Therapie zu ermöglichen.
Was ist ein Lipödem genau?
Das Lipödem beschreibt eine chronische und schmerzhafte Fettverteilungsstörung an den Extremitäten von Frauen. Meist sind die Beine betroffen, in etwa 30% der Fälle auch die Arme. Dies führt zu einer unproportionierten Körpersilhouette. Die ersten Anzeichen treten oft während der Pubertät auf. Typische Symptome umfassen Schmerzen in Ruhe und bei Druck, Neigung zu Hämatomen, Spannungs- und Schwellungsgefühle sowie schnelle Muskelermüdung. Problematisch ist nicht nur die unkontrollierte Vermehrung der Fettzellen, sondern auch die schmerzhaften Entzündungsreaktionen darin, sagt Dr. Stefan Rapprich von der Hautmedizin Bad Soden. Zwischen 25% und 88% der Frauen mit Lipödem sind gleichzeitig von Adipositas betroffen.
Stadieneinteilung I bis III:
Stadium I – leichte Vermehrung des Fettgewebes
Stadium II – mittelgradige Vermehrung des Fettgewebes
Stadium III – ausgeprägte Vermehrung des Fettgewebes mit überhängenden Fettpolstern und Faltenbildung.
Was sind die Ursachen für ein Lipödem?
Die genauen Ursachen des Lipödems sind noch nicht vollständig erforscht. Es wird jedoch davon ausgegangen, dass eine erbliche Veranlagung und hormonelle Veränderung wie Pubertät, Schwangerschaft oder Wechseljahre bei der Krankheitsentstehung eine Rolle spielen. Frauen sind in deutlich höherem Maße von einem Lipödem betroffen als Männer. Es besteht auch die Möglichkeit, dass ein Lipödem durch Traumata oder Verletzungen ausgelöst wird.
Lipödem-Behandlung
Obwohl es noch keine Heilung für Lipödeme gibt, existieren verschiedene Ansätze zur Behandlung, die dazu beitragen können, die Symptome zu mildern, das Fortschreiten der Erkrankung zu verlangsamen und Komplikationen zu vermeiden.
Operative Therapie
Zur dauerhaften Entfernung von erkranktem Fettgewebe gibt es bisher zur Liposuktion (Fettabsaugung) keine Alternative. Die maßgebliche Grundlage für die Entscheidung zur Durchführung einer Liposuktion sind die Schmerzempfindungen, nicht ästhetische Beweggründe.
Wichtig ist aber, dass von einem erfahrenen Operateur mit einer Lymphgefäß-schonenden Methode operiert wird. Die Wirksamkeit dieser Vorgehensweise wurde durch die Anwendung der Liposuktion in Kombination mit der Tumeszenz-Lokalanästhesie mittels Vibrationskanülen (PAL = power assisted liposuction) sowie der Wasserstrahl-assistierten Liposuktion (WAL = waterjet assisted liposuction) wissenschaftlich belegt. Die Liposuktion kann entweder ambulant oder stationär erfolgen. Die Entscheidung liegt im Ermessen des Operateurs, der in Absprache mit der Patientin das individuelle Risikoprofil und den Schweregrad der Erkrankung berücksichtigt.
Die Behandlung sollte im Rahmen eines umfassenden Konzepts erfolgen, das Ernährung, körperliche Aktivität, Entstauungstherapie vor und nach dem Eingriff sowie die Nachsorge einschließt. Gegebenenfalls sollte auch eine psychologische Begleitung in Erwägung gezogen werden.
Wichtigstes Ziel vor allem der Liposuktion ist die Behandlung der Schmerzen und eine Verbesserung der Bewegungsfähigkkeit, aber auch die Verbesserung der Lebensqualität sowie der Erhalt oder die Sicherung der Arbeitsfähigkeit.
Konservative Therapie
Die konservative Therapie repräsentiert grundsätzlich eine Entstauungstherapie und besitzt lediglich eine symptomatische Wirkung. Sie findet im Wesentlichen Anwendung bei nachgewiesenem Ödem (sekundärem Stauungssyndrom). Die Maßnahmen der konservativen Therapie umfassen:
- Ernährungsmedizin, angepasst an das Körpergewicht
- Sportliche Aktivitäten (z. B. Aquasport)
- Kompressionstherapie
- Manuelle Lymphdrainage
- Unterstützende psychologische Betreuung
Demnach ruht die Therapie auf sechs Grundpfeilern. Ein ganzheitliches Behandlungskonzept setzt sich einerseits aus der konservativen Therapie (Ernährung, Bewegung und psychologische Unterstützung) und andererseits aus der operativen Behandlung zusammen.
Welchen Facharzt sollte ich bei Verdacht auf ein Lipödem konsultieren?
Leider werden viele Betroffene immer noch aufgrund von Unwissenheit von Ärzten und anderen Menschen stigmatisiert. Sie müssen oft einen anstrengenden Kampf durchstehen, um überhaupt die richtige Diagnose zu erhalten. Viele von ihnen haben bereits einen langen Ärztemarathon hinter sich.
Wichtig ist die Konsultation eines Arztes mit der Zusatzqualifikation Phlebologie, der die Diagnose stellt, den Befund dokumentiert und die Indikation zur Liposuktion beurteilt. Das sind in der Regel Dermatologen, Gefäßchirurgen oder Internisten. Eine Bildgebung in Form einer Duplex-Sonographischen Untersuchung des Venensystems sollte erfolgen, um eine Varicosis (Venenleiden) auszuschließen.
Wird die Liposuktion von den Krankenkassen bezahlt?
In Deutschland bestimmt der Gemeinsame Bundesausschuss G-BA in Berlin in einem Leistungskatalog darüber, was gesetzlich Versicherten an Leistungen zusteht und was nicht. Die Liposuktion ist dabei derzeit nicht im Leistungskatalag enthalten und deswegen ausschließlich als private Eigenleistung möglich. Gelegentlich beteiligen sich private Krankenversicherungen an den Kosten.
Nur im Stadium III ist die Kostenübernahme im Rahmen einer Übergangsregelung möglich. Im Stadium I und II muss man auf den Beschluss des G-BA nach Abschluss der Erprobungsstudie, die derzeit läuft, warten. Eine Entscheidung darüber ist frühestens 2026 zu erwarten.
Die Gebühren variieren erheblich zwischen verschiedenen Einrichtungen, wobei höhere Gebühren nicht zwangsläufig eine bessere Qualität bedeuten. Betroffenen wird empfohlen, eine Zweit- oder Drittmeinung einzuholen. Es wird dringend davon abgeraten, Behandlungen im Ausland durchzuführen. Dies liegt erstens daran, dass die Gesamtkosten nicht unbedingt niedriger sind, und zweitens gibt es in Deutschland keinen Versicherungsschutz im Falle von Komplikationen.
Wie lassen sich die Aufwendungen für eine Liposuktion finanzieren?
Es existieren Online-Banken, welche Ratenkredite für chirurgische Eingriffe anbieten, wie zum Beispiel medipay oder credit4beauty. Alternativ kann man auch bei der eigenen Hausbank nach passenden Optionen fragen. In jedem Fall können die Ausgaben in der Steuererklärung als außergewöhnliche Belastungen angegeben werden. Dabei wird jedoch eine zusätzliche Bestätigung der Diagnose und medizinischen Notwendigkeit des Eingriffs von einem Phlebologen oder Amtsarzt benötigt.
Weitere Informationen und Kontaktmöglichkeiten
Häufig übersteigt der Bedarf an manueller Lymphdrainage das Angebot in Physiotherapie-Praxen. Dies resultiert sowohl aus begrenzten Kapazitäten als auch aus der unzureichenden Entlohnung für qualifizierte therapeutische Leistungen. Aus diesem Grund wurde die Lipödem-Gesellschaft gegründet. Das Hauptziel dieser gesundheitspolitischen Organisation ist es, die Versorgung der Betroffenen entsprechend ihrem Bedarf sicherzustellen und den Therapeuten eine angemessene Vergütung zu ermöglichen.
Mehr Infos und Kontaktmöglichkeiten findest Du auf der Website www.lipoedem-gesellschaft.de oder per E-Mail an medizin@lipoedem-gesellschaft.de bzw. Claudia Effertz unter info@lipoedem-gesellschaft.de bzw. telefonisch unter 06251/8259912.
Weitere hilfreiche Tipps und Tricks
Die digitale Gesundheitsanwendung Lipo-Check kann künftig bei der Befunddokumentation, Verlaufsdokumentation und mit Behandlungsempfehlung sowie der Facharztvermittlung unterstützen. Du erhältst täglich hilfreiche Tipps und Tricks gegen die Beschwerden und wissenschaftlich-fundierte Aufklärung.
TIPP von taunus4family: Die LipödemGesellschaft lädt regelmäßig zu Fachtagungen ein. Die nächste Tagung ist am 27. & 28.10.2023 in der Stadthalle Flörsheim/Main ein, zu der 300 – 400 Gäste erwartet werden. Hingehen und Informieren!
FAZIT
Nachdem ich mich über das Krankheitsbild und den –verlauf informiert habe, hatte ich ein Beratungsgespräch mit meinem Arzt. Mir war sofort klar: „Ich möchte gerne eine Liposuktion durchführen lassen!“
Durch die OP verlor ich nicht nur Fett, sondern auch einen Großteil meiner Beschwerden. Endlich konnte ich mich frei bewegen, ohne unter starken Schmerzen zu leiden, Sport treiben und Kleidung nach meinem Wunsch tragen. Seitdem hat sich für mich viel verändert: „Ich habe erkannt, dass die Krankheit mehr beeinflusst hat, als nur meinen Körper. Abgesehen von den körperlichen Veränderungen konnte ich zu mir selbst finden und tue es immer noch! Auch mit der Unterstützung meines Partners und meiner Familie habe ich die gesundheitliche Reise des Lipödems gut überstanden.