Schlechtes Zeugnis für die deutsche Schulpolitik
Am Ende des letzten Schuljahres haben unsere Kinder ihr Zeugnis erhalten.
Doch würde auch die Grundschule ein Zeugnis bekommen, würde dies denkbar schlecht ausfallen. Verzweifelt kommt meine Tochter auf die weiterführende Schule und hat immer noch Probleme, flüssig und sicher zu lesen. Ein Fünftel ihrer Mitschüler kann nicht richtig lesen, ein Drittel nicht entsprechend der deutschen Rechtschreibung Texte verfassen. Leistungsdefizite tauchen an jeder Ecke auf. Die Ergebnisse der jüngsten IQB-Bildungstrends-Studie sind desaströs und verunsichern besorgte Eltern zunehmend.
Leistungsdefizite, soweit das Auge reicht
In vier verschiedenen Bereichen wurden die Leistungen der Schüler untersucht. Die Entwicklung gibt dabei Aufschluss über das deutsche Bildungssystem. Es kommt somit nicht von ungefähr, wenn die Eltern am deutschen Bildungssystem zweifeln.
Bei den orthografischen Fähigkeiten können über 30 % der Schüler nach der vierten Klasse nicht mehr mithalten, während beim Lesen fast jeder Fünfte den Mindestanforderungen nicht genügt. Wenn es um das Zuhören geht, schwächelt ebenfalls fast jeder fünfte Schüler. Besonders stark verbreitet sind die Probleme bei der Motivation und Konzentration. Denn rund zwei Drittel der Lehrer beklagen sich über derartige Probleme bei den Schülern, während ein Viertel sogar auf aggressives Verhalten und Schulschwänzen hinweist. Für Eltern mag dies mitunter sogar beruhigend wirken, wenn die kleinen Racker nicht die absolute Ausnahme sind. Doch die Bildungspolitik hat offenbar einiges nachzuholen, wenn man das deutsche Bildungssystem wieder auf Vordermann bringen möchte.
Grundschule: Die Basis für Erfolg im Leben
Nicht selten denken sich Eltern insgeheim, dass doch ein paar Fehltage in der Grundschule in Ordnung sind oder die Schüler ihre Leistungsdefizite schnell aufholen können. Doch die Grundschule ist der Basis für Erfolg in der schulischen Laufbahn – allerdings kann dies auch ins Gegenteil verkehren. Immer mehr Kinder liegen unter den Mindeststandards. Soziale Ungleichheit drückt sich auch vermehrt im schulischen Alltag aus. Zugleich stellt die vermehrte Zuwanderung in Kombination mit der notwendigen Integration die Schulpolitik vor eine mittelschwere Herausforderung.
Das Elternhaus & kindliche Leistung
Ungleichheit beim Wissensstand und dem Erwerb von schulischen Fähigkeiten lässt sich auch auf das Elternhaus zurückführen. Die steigende Anzahl von Schülerinnen und Schülern mit Migrationsgeschichte beeinflusst den Erwerb von Kompetenzen. Wenn die Familien einen niedrigen sozioökonomischen Status haben, sind Leistungsdefizite meist besonders offensichtlich. Da ist es kein Wunder, dass die Eltern aus sozial schwachen Familien bereits sorgenvoll auf die Zukunft der Kinder schauen. Während ein Teil resigniert, legt der andere Teil besonders großen Wert auf die kindliche Leistung. Die Corona-Pandemie verschärfte diese Problematik zunehmend. Wenn Eltern bereits bei grundlegenden Dingen wie Orthografie, Grammatik, Mathematik oder Lesen Schwächen aufweisen, können diese die Kinder nicht ausreichend unterstützen.
Recht auf Bildung in Deutschland – der Trend geht in die falsche Richtung
Das Bundesverfassungsgericht hat in Deutschland das Recht auf Bildung statuiert. Damit soll jedes Kind das Recht auf Schulbildung haben. Lehrer müssen professionell genug sein, um Basiskompetenzen zu vermitteln und die Kinder zu unterstützen. Die Kultusminister der Länder haben in der Schulpolitik die Aufgabe, die Qualität der Schule zu sichern. Doch der Trend geht seit einigen Jahren steil abwärts. Die Corona-Pandemie fungierte als Katalysator und verschärfte diese Entwicklung.
Mehr Geld für die Schulpolitik: Ist das die Lösung?
Wenn Eltern über die Missstände in den deutschen Schulen schwadronieren, wird der Ruf nach Unterstützung aus der Politik laut. Verantwortlich für das Schulsystem sind die Bundesländer. Die Kultusminister fordern mehr Bundesgelder, um ein Aufholprogramm zu starten. Doch temporäre Unterstützungen werden nicht langfristig die Probleme lösen. Falsches Konzept, zu wenig Ressourcen, bürokratischer Aufwand oder wenig Personal sind praktische Probleme bei der Umsetzung. Viel wichtiger könnte es sein, dem dramatischen Mangel an Lehrkräften zu begegnen. Höhere Standards für bessere Lehrer – dies dürfte auch für eine kontinuierlich hohe Schulzufriedenheit sorgen. Denn diese ist seit Jahren auf einem konstant hohen Niveau. Schüler schätzen das deutsche Schulsystem – ein kleiner Lichtblick für die Schulpolitik.
Fazit: Schulisches Lernen für Bildungsgerechtigkeit
Die jüngsten Ergebnisse aus dem deutschen Schulsystem sind desaströs. Schulisches Lernen ist notwendige Bedingung für Bildungsgerechtigkeit. Wenn Kinder die Mindeststandards schon im jungen Alter nicht mehr erreichen, sind spätere Probleme vorprogrammiert. Deshalb sollte sich das Bildungssystem wieder systematischer um Kinder kümmern und großen Wert auf Basiskompetenzen legen – denn Lesen, Schreiben und Rechnen sollte nach Klasse 4 jeder Schüler beherrschen.