Wenn Eltern oder Angehörige Hilfe brauchen
Der richtige Zeitpunkt
Wenn irgendwann der Tag kommt, dann ist alles besprochen. Leider ist dies zwischen Eltern und Kinder selten der Fall. Eine offene und respektvolle Kommunikation darüber, wie der letzte gemeinsamen Weg aussehen kann, gibt es meist nicht. Aus Gesprächen mit Freunden höre ich immer wieder, dass in vielen Familien große Sprachlosigkeit zum Thema Altwerden, Schwächerwerden und was danach kommt, herrscht. Auch ich selbst musste mir anhören: ‚Das lassen wir auf uns zukommen‘. Da fragen sich Kinder verzweifelt: Wann ist der Zeitpunkt, diese Themen anzusprechen? Wie gehen wir mit dem Tabu-Thema um, wie mit der Unvernunft, wenn die Eltern beharrlich jede Veränderung ablehnen?
Rollentausch und Kleine Dramen
Kinder werden erwachsen und ihre Eltern zu Senioren, die im Zweifel pflegebedürftig werden. So ist der Lauf der Dinge. Und doch ist dies der Moment, der für viele häufig zur Zerreißprobe wird und die Kinder wie ein Schlag trifft. Es kann ein plötzlicher Unfall, ein Schlaganfall oder Demenz sein, der dazu führt, dass das System kippt und sich die Zuständigkeiten verkehren.
Wir sind jetzt verantwortlich und das Machtgefälle dreht sich oft um. Dabei entstehen massive Konflikte. Die Rollen werden neu verteilt – ungeprobt. Für viele Senioren ist es eine schwere Aufgabe, diese Abhängigkeit in einer autonomieorientierten Welt zu akzeptieren. Für deren Kinder steht auch das eingeübte Erziehungsverhältnis häufig auf dem Kopf. Was kann ich tun, damit meine alte Mutter nicht vereinsamt, regelmäßig die richtigen Medizin nimmt, im Notfall die richtige Nummer wählt, endlich wieder besser hört, die Wohnung sauber bleibt, nicht so oft stolpert, von der Zigarette lässt, ausreichend trinkt und seine letzten (kritischen) Tage und die Zeit danach richtig ordnet?
Altwerden in Deutschland
Die Realität sind so aus, dass rund 73 Prozent der 2,9 Millionen Pflegebedürftigen in Deutschland zu Hause versorgt werden. Zu 90 Prozent von Frauen – Ehefrauen, Töchtern und Schwiegertöchtern. Nur ein knappes Drittel dieser Hilfsbereiten erhält zusätzliche Hilfe. Bis 2060 könnten es 4,7 Millionen Pflegefälle werden.
Nicht nur Müdigkeit, Überforderung, Geldnöte und Einsamkeit treibt viele Pflegenden zur Verzweiflung. Es ist auch der Wirrwarr an Angeboten durch die Pflegeversicherung, was selbst Experten kaum durchschauen. Aus zig verschiedenen Stellen und Töpfen gibt es viele Hilfen – so dass aus Unkenntnis nicht alles abgerufen wird. Oder die Verhandlungen mit der Krankenkasse, Telefonate mit Beratungsstellen, die Konfrontation mit erschreckend hohen Kosten (man weiß es ja eigentlich, aber dass es so viel ist…), eventuell Besichtigungen von Pflegeheimen usw.
Viele Angehörige pflegen oft aus einer ökonomischen Zwangslage heraus, denn die Pflegeversicherung sichert bloß einen Sockelbetrag ab. Meist wird der tatsächliche Umfang über die Dauer der Pflege privat aus der Rente, den eigenen Ersparnissen oder denen der unterhaltspflichtigen Kinder bezahlt.
Wer im Heim lebt, bezahlt nach Berechnungen des Verbands der Ersatzkassen im Schnitt 1772 Euro monatlich aus eigener Tasche für Unterbringung, Essen und Pflege dazu.
Bei umfassender häuslicher Pflege durch Profis sind die Kosten deutlich höher: Wer als Familie nicht selbst die Pflege übernimmt und auf Profis zurückgreift, wird hart zur Kasse gebeten. So suchen viele nach anderen Lösungen, bevor die Eltern das Häuschen mit einer Hypothek belasten oder die Ersparnisse der Kinder aufgezehrt werden. Oft gibt es aber weder eine Immobilie noch Ersparnisse, um die durchschnittliche Pflegedauer von 8.3 Jahren zu finanzieren.
Das Wichtigste in Kürze für Eltern und Kinder
Lotsen im System
Es gibt Selbsthilfegruppen und Beratungsstellen, bei denen Sie sich Hilfe holen können. In vielen Bundesländern haben Kommunen und Pflegekassen mittlerweile sogenannte Pflegestützpunkte eingerichtet. Eine Übersicht liefert eine bundesweite Datenbank mit Adressen der Pflegestützpunkte. In einigen Kommunen gibt es darüber hinaus Senioren- oder Pflegeberatungsstellen. Sie erklären, welche Unterstützung sinnvoll ist, wie man Anträge bei der Krankenkasse oder Pflegeversicherung stellt und aus welchen Töpfen pflegende Angehörige finanzielle Entlastung bekommen können. Sie kennen sich aus mit Vorsorgevollmachten, Gutachten des Medizinischen Dienstes, mit allen Modellen wie Tages-, Nacht- und Kurzzeitpflege.
Liegt jemand im Krankenhaus, ist der dortige Sozialdienst die Anlaufstelle.
Pflegeleistungen und Finanzielle Hilfen
Diverse staatliche finanzielle Hilfen können bei den Pflegekassen, den Krankenkassen und beim Sozialamt beantragt werden. Das Versorgungsamt informiert darüber, ob der Pflegebedürftige Anspruch auf einen Schwerbehindertenausweis und damit das Recht auf bestimmte Vergünstigungen, wie zum Beispiel die freie Fahrt für Begleitpersonen in Bahn, Bus oder Taxi, hat.
Um die Pflege finanziell stemmen zu können, sofern der Angehörige als Pflegefall eingestuft wird, kann von der Pflegekasse Leistungen in Anspruch genommen werden. Je nach Pflegegrad wird diese auch dann zahlt, wenn Sie sich als Familienangehöriger um ihn kümmern.
Bei gesetzlich Versicherten ist die Pflegeversicherung bei der Krankenkasse angedockt, für privat Versicherte beim entsprechenden Versicherungsunternehmen. Da es unzählige Möglichkeiten gibt, Leistungen zu bekommen und zu kombinieren, sollte man sich unbedingt beraten lassen.
Hinzu kommen verschiedene Leistungen der Pflegeversicherung, wie Kuren, Urlaub oder Pflegekurse, die Sie als Pflegender in Anspruch nehmen können.
Pflegezeit für berufstätige Angehörige
Es gibt verschiedene Formen der Pflegezeit für Berufstätige, die sich persönlich um pflegebedürftige Angehörige kümmern wollen.
Bei der Kurzzeitigen Arbeitsverhinderung können Arbeitnehmer nach Anzeigen beim Arbeitgeber maximal zehn Tage am Stück ihrer Arbeit frei nehmen, um akute sowie weiterführende Pflegemaßnahmen zu gewährleisten.
Bei der Pflegezeit haben Arbeitnehmer die Möglichkeit, maximal sechs Monate von der Arbeit freigestellt zu werden. Nach Absprache kann auch eine teilweise Freistellung erfolgen.
Die Familienpflegezeit ist für Beschäftigte gedacht, die einen Angehörigen pflegen. Sie können ihre wöchentliche Arbeitszeit für die maximale Dauer von zwei Jahren auf bis zu 15 Stunden pro Woche reduzieren. Am Ende der Familienpflegezeit können die Arbeitnehmer wieder voll in den Beruf einsteigen, bei weiterhin reduziertem Gehalt, bis das Zeitkonto wieder ausgeglichen ist. Wird ein minderjähriger Angehöriger gepflegt, so kann dies auch außerhalb der häuslichen Umgebung stattfinden.
Pflege über ambulante Dienste (Pflegesachleistungen)
Manchmal lässt sich der Wunsch, Vater und Mutter zu unterstützen, jedoch nicht mit der eigenen Lebensplanung verwirklichen. Sind Familienangehörige aus welchen Gründen auch immer, nicht (mehr) in der Lage, ihren Pflegeanteil zu leisten, kann bei der Pflegekasse ein Antrag auf den kompletten Satz für den ambulanten Pflegedienst gestellt werden.
Sobald professionelle Betreuungs- und Pflegekräfte nach Hause kommen wie beispielsweise HDO Seniorenbetreuung o.a., werden den Pflegebedürftigen je nach Pflegegrad max. bis 1.995 € zur Bezahlung des Pflegepersonals bewilligt. Pflegegeld und Pflegesachleistungen können auch kombiniert werden als sogenannter „Versorgungsmix“ zwischen familiärer und professioneller Hilfe.
Pflegetelefon
Für weitere Fragen oder Probleme bei der häuslichen Pflege können die Beratungsangebote des Pflegetelefons vom Bundesfamilienministeriums in Anspruch genommen werden. Die Nummer lautet 030/20179131, sie ist Montag bis Donnerstag von 9 bis 18 Uhr erreichbar.